Rettet das „ß"!

Liebe schreibende Mitbürger, liebe Sprach-Freunde und -Feinde aus Marketing, Werbung und Unternehmenskommunikation, dies ist eine ernste Bitte: Rettet das „ß"!

Leute, Leute, da hat die Hin- und Her-Rechtschreibreform seit den 90er Jahren ja wirklich was Unschönes angerichtet. Ständig liest man in irgendwelchen Briefen (gern auch in Werbemailings) oder in irgendwelchen Website-Formularen das lustige Wort „Strasse" - ja, mit Doppel-„s". Die Schreiber halten das „ß" also offensichtlich für abgeschafft - oder kommen aus der Schweiz, wo es das nie gab. Na ja, wahrscheinlich glauben sie sogar, mit diesem kuriosen Doppel-„s" richtig zu liegen - war da nicht irgendwas mit „ss" statt „ß" in der „neuen" Rechtschreibung?

Logische Regeldurchsetzung

Ja, stimmt schon. „Sodass" gibt es tatsächlich nicht mehr mit „ß"! (Auseinander schreiben darf man es noch, wenn man unbedingt möchte, sagt der Duden.) Und warum? Weil es eigentlich vorher systematisch fehlerhaft war! Die aufgrund hysterischer Diskursverläufe leider vielfach inkonsequente Reform brachte an dieser Stelle dann doch mal eine „logische" Regeldurchsetzung im Bereich der „S"-Laute. Einfach zu merken, eigentlich, die wesentliche Unterscheidung, jedenfalls sofern man einigermaßen hochdeutsch (aus-)spricht: Doppel-„s" nach kurzem (kurz gesprochenem) Vokal, „ß" nach langem (und nach Diphthong): Wenn man eine ruhige Stunde hat, hat man - genau: Muße! Wenn man dagegen auf die Toilette rennt, bleibt von der Muße nichts übrig, weil man mal muss! Ist doch gar nicht so schwer, oder?

Ich bitte diesen kleinen Spaß-Beitrag als ernsthaften Aufruf zur Rettung des „ß" zu verstehen. Das ist inzwischen sogar ein anerkannter GROßBUCHSTABE, auch wenn er auf der PC-Tastatur deshalb nicht extra verdoppelt wurde.

Und für die Herrschaften aus der Branche, die meinen, das sei doch alles ganz egal, sei gesagt: Bei Produktverkauf und Imagebildung zählt am Ende doch jeder einzelne Kontakt! Es könnte immer einer das Mailing lesen, der über seltsame Fehler den Kopf schüttelt - und ganz sicher nicht anruft. Klar, wer keinen Sinn für Sprache hat, stolpert nicht über „Strasse". Aber wer wollte behaupten, dass die eigene „Zielgruppe" nur aus Sprachverweigerern besteht? Hier werden aus blinder Bequemlichkeit auf Basis eines eingeschliffenen Fehlers Kontaktchancen ungenutzt liegen gelassen. Irgendwie blöd, oder?

Ach, ja: Checken Sie mal Ihre E-Mails. Wer schickt Ihnen immer „viele Grüsse"? Antworten Sie diesen „S"-Laut-Ignoranten doch beim nächsten Mal mit der Grußformel: „Ville Grüsse". Vielleicht fällt dann der Groschen, wenn auch laaaangsam wie die laaaangen Vokale. Ist nur so 'ne Idee... von Ihrem Lübecker Coach der Worte.

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