Lost in Metasprech - Warum Politiker, Verbandsvertreter und Journalisten oft unglaubwürdig wirken

Metasprech ist überall und keiner merkt's. In Jahrzehnten des "Strukturwandels" von medialer Öffentlichkeit haben sich Menschen, die in der und zur Öffentlichkeit sprechen so sehr daran gewöhnt, über Strukturen und Prozessverläufe statt über Inhalte zu sprechen, dass sie gar nicht mehr erkennen können, wie sie ständig ein leerlaufendes PR-System bedienen, ohne ihre eigentlichen (nachrichtlichen, zum Beispiel politischen) Kommunikationsziele zu erreichen. Und der Zuhörer fühlt sich irgendwie unwohl...

Seit sicher schon an die 40 Jahre hat sich in der deutschen Öffentlichkeit insbesondere der audiovisuellen Leitmedien ein systemischer Mechanismus zu einem vorherrschenden Verhaltensmuster entwickelt, das man mit „Ausweichen ins Meta-Sprechen“ umschreiben kann. All die in Jahrzehnten kommunikationswissenschaftlich aufgebrachten Problemlösungsstrategien durch verschiedene Formen der Meta-Thematisierung in dialogischen Gesprächsprozessen (etwa auf irgendwelchen „Feldherrnhügeln“, wie ein berühmter Hamburger Experte seinerzeit gerne sagte...) sind gesellschaftlich relevant eingesickert ins Öffentlichkeiten strukturierende Sprech-Handeln von Politikern, PR-Rednern und auch medial verantwortlichen Journalisten. Obwohl sie systematisch (oder gar wissenschaftlich) dort eigentlich gar nicht recht hingehören...

Heute fällt es kaum noch jemandem auf, dass es eigentlich gar keine substanziell interessante Nachricht ist, wenn „die Koalitionsrunde sich auf ein Kompromisspapier zu allerlei Themen einigt“. Schon gar nicht in irgendeiner Weise nachrichtlich von Relevanz sind Inhalte aus Pressemitteilungen oder Pressekonferenzen, in denen davon geredet wird, dass man „das Thema nicht gut kommuniziert“ oder „den Einfluss eines Influencers unterschätzt“ habe.

Die Verschiebung der sachlich-thematischen Probleme und Aussagen auf die Metaebene der kommunikativen Prozesse sollte eigentlich etwas sein, was professionelle Journalisten in ihrem alltäglichen Umgang mit PR-Geschichten aller Art sofort bemerken – und aus ihrem Nachrichten-Filter werfen. Aber die systemische Gewöhnung an solche Sprechweisen, die ja so einfach übernehmbar sind, steckt so tief auch in ihnen drin, dass es in jeder Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Funks mindestens zur Hälfte leere Meta-Prozess-Hinweise aus Presseinformationen und anderen Gerüchteküchen sowie personengebundene Statements über Gespräche („Wir hatten ein gutes Gespräch“) gibt statt inhaltliche, aufbereitete Sach-Nachrichten und deutliche Kommentare nach guter alter journalistischer Tradition.

Das hat mit Grundlagenwissen in Sachen Rhetorik zu tun: Das ausweichende Meta-Sprechen macht Redner nämlich unglaubwürdig – und blind folgende journalistische Multiplikatoren auch. Denn der Zuhörer (mit oder ohne Bild dazu) kann das ja beinahe nur als unbestimmtes Glockenläuten aus den Hinterzimmern der Macht wahrnehmen, zu denen er mangels fixierter Rolle im Meta-Sprech-System keinen formalen oder inhaltlichen Zugriff bekommt. Das Metasprechen, will dieser Hinweis sagen, führt so direkt zum verbreiteten Eindruck der „Abgehobenheit“ von Politikern, Verbände- oder Unternehmenssprechern und auch von Medien(vertretern). Statt reale politische Inhalte im öffentlichen Raum trennscharf und sinnbestimmend zu diskutieren (und sie danach dann auch nachvollziehbar, das heißt sinnvoll kommunikativ begleitet, umzusetzen), werden unklare Meta-Signale verwendet, die prinzipiell niemals zu nachvollziehbaren Handlungszusammenhängen leiten können.

Leider fehlt selbst noch in diesen Zeiten des Zusammenbruchs traditioneller politischer Medien-Diskurse bei den einzelnen Beteiligten im System der Meta-Sprech-Welt jedes eigene Bewusstsein für dieses Problem im eigenen Verhalten. Zu eingeübt sind die Funktionsrollen im System, zu geschlossen in einem strengen (luhmannschen) Sinne sind die Systeme zum Beispiel der Politik bzw. der politischen Kommunikation.

Auf Dauer sucht das verbreitete Unwohlsein der Zuhörer sich aber seinerseits seltsame (wiederum undurchschaute) Ausweichsysteme, zum Beispiel die Hinwendung zu einer selbstgemachten „Fake“-Welt einer AfD oder anderer, neuerdings oft rechtsradikaler Wirrköpfe. Wenn man dagegen wirklich etwas tun will, sollte man als Politiker, als Wirtschaftsvertreter, als Medien-Multiplikator seine eigene Rolle überdenken und die systemisch „leichten“ Verhaltensweisen so oft wie möglich aufbrechen und (wenn vielleicht auch etwas „kontrafaktisch“, wie Habermas immer mal sagte) davon ausgehen, dass es ein großes Bürger-Publikum mit Hirn und Herz durchaus gibt in diesem Land, das eine sachbezogene demokratische Diskussionskultur wünscht.

In der Rhetorik war das übrigens von Anfang an (zum Beispiel schon bei Aristoteles) immer die Voraussetzung für das Sprechen des Redners: zu wissen, wer das Publikum ist, was es an diskursiven Kontexten mitbringt und wie man es in den öffentlichen Streit auf der Agora durchaus verantwortlich einbindet. Im KKL-Rede-Coaching findet diese Horizont-Bildung für welche Rede-Inhalte auch immer übrigens normalerweise bereits in der zweiten Sitzung statt – und wird dann bei der Ausarbeitung des Rede-Textes und beim vorbereitenden Rede-Training stets präzise berücksichtigt.

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